Neoretrospektive. Malarstwo i rysunek

Malerei und Zeichnung – Painting and Drawing

02.03.–13.04.2025

Zum Projekt – About the Project

Marek Bieganik, 1952 geboren in Stara Krásnica, Polen, hat von 1975 bis 1980 an der Kunstakademie Warszawa studiert und die Hochschule mit dem Diplom in Malerei und Lithografie und dem Magister Artium in Kunstgeschichte verlassen. Seit 1980 ist er als freischaffender Künstler tätig – im wahrsten Wortsinn frei von Konventionen im Leben und in der Malerei. Aufgabe der Betrachter von Marek Bieganiks Bildern ist es, Schicht für Schicht und Blick für Blick in sie vorzudringen, sich durch das Bildwerk zu bewegen, sich treiben zu lassen und dem Strom der Farben und Figurationen auszusetzen. Und wenn man will, spürt man die wärmende Energie der Farben und die Kraft des ursprünglich nassen, weichen Malmaterials, in das Marek Bieganik ebenso kraftvolle Zeichen, Formen und Chiffren für Leben und Lebendigkeit setzt – immer schon.

Als Ergänzung zur Ausstellung präsentiert Marek Bieganiks Freund und Ateliergefährte Rosario de Simone, dessen Kunst bereits vor zwei Jahren, nämlich vom 26. Februar bis zum 2. April 2023, in der Alten Synagoge vorgestellt worden ist, 40 Arbeiten aus der Reihe Nani Giganti (Riesenzwerge), 2025, verschiedene Farbstifte auf Fotopapier und Zeichenkarton.

Marek Bieganik, born in Stara Krásnica, Poland, in 1952, studied at the Academy of Fine Arts in Warsaw from 1975 to 1980 and graduated with a diploma in painting and lithography and a master’s degree in art history. He has been working as a freelance artist since 1980 – literally free from conventions in life and in painting. The task of the viewer of Marek Bieganik’s paintings is to penetrate them layer by layer and gaze by gaze, to move through the pictorial work, to allow oneself to drift and be exposed to the flow of colours and figurations. And if you want to, you can feel the warming energy of the colours and the power of the originally wet, soft painting material, in which Marek Bieganik places equally powerful signs, forms and codes for life and vitality – and always has done.

To complement the exhibition, Marek Bieganik’s friend and studio colleague Rosario de Simone, whose art was already presented two years ago, namely from 26 February to 2 April 2023, in the Old Synagogue, is presenting 40 works from the series Nani Giganti (Giant Dwarves), 2025, various coloured pencils on photographic paper and drawing cardboard.

Eröffnungsansprache – Opening speech

des Oerlinghausener Bürgermeisters Volker Neuhöfer am 02.03.2025 – by the Mayor of Oerlinghausen, Volker Neuhöfer, on 02.03.2025

Liebe Frau Müller-Borchert,
sehr geehrte Mitglieder des Vorstandes des Kunstvereins Oerlinghausen,
lieber Prof. Beaugrand als künstlerischer Leiter,
sehr geehrte Mitglieder des Kunstvereins,
liebe Kunstfreunde,
meine sehr verehrten Damen und Herren,
und natürlich auch sehr geehrter Marek Bieganik,

die heutige Ausstellung ist nicht nur in deutscher, sondern auch in polnischer Sprache angekündigt worden – zumindest was den Titel Neoretrospektive. Malerei und ZeichnungMalerstwo i Rysunek betrifft.

Szarnowi pan Marek, dlatego witam Cie rowniez w jezyku polskiem. Serdecznie witamy w Oerlinghausen. Jestesmy bardzo podekscytowani i zyczymy wystawie wielu sukcesow.(Guten Morgen, Herr Marek, ich begrüße Sie daher auch auf Polnisch. Ein herzliches Willkommen in Oerlinghausen. Wir sind sehr gespannt und wünschen der Ausstellung viel Erfolg.)
Das soll jedoch alles sein, was ich heute in polnischer Sprache und auch zu der heutigen Ausstellung sagen möchte – das überlasse ich dann gerne den Personen mit dem entsprechenden Fach- und Sachverstand.

Frau Müller-Borchert hat mich im Vorfeld gebeten, einige Worte an Sie zu richten, was ich natürlich gerne in Namen unserer Stadt tun werde. Allerdings ganz ausdrücklich auch in meinem persönlichen Namen – auch weil ich immer sehr gerne zu Ihnen komme.
„Oerlinghausen, da habt ihr ja diesen emsigen Kunstverein.“ Dieser Satz begegnete mir vor einigen Jahren, als ich mich einem Pärchen vorstellte, das zwar aus OWL, jedoch nicht aus Lippe oder Oerlinghausen stammte. Ich glaube, dieser kurze Satz ist bezeichnend für diese kulturelle Institution unserer Stadt. Oerlinghausen hat viele Aushängeschilder, sei es der Segelflugplatz, das was sich jetzt unter dem Titel UrLand zusammengefunden hat, die wunderschöne Lage an den Hängen der Teutoburger Waldes und eben auch unseren Kunstverein. Dieser ist ein sichtbares Zeichen und gibt ein gutes Bild unserer Stadt ab.
Das hat mit vielen Dingen zu tun, auch – allerdings nicht nur – mit dem besonderen Ort, in dem die Künstlerinnen und Künstler uns ihre Werke näherbringen. Es ist ein besonders Geschenk, dass wir in Oerlinghausen ein jüdisches Gotteshaus unser nennen können, das nicht der nationalsozialistischen Barbarei zum Opfer gefallen ist. Wir alle und insbesondere auch die in unserer Stadt politisch Gewählten sind hier in einer großen Verantwortung. Daher übernimmt unsere Kommune auch die Pflege dieses besonderen Hauses und des dazugehörigen Grundstückes. Dieser Ort ist Dank des Kunstvereins jedoch nicht nur ein Ort des Gedenkens an die ehemalige jüdische Gemeinde und den einmaligen, den einmaligen Verbrechen, die diesen Menschen angetan wurden. Dank des Kunstvereins ist dieser Ort wieder ein Ort des Lebens geworden – wenn auch für eins anderes als bisher, aber wieder ein Ort des Lebens. Und solange hier kein jüdisches Leben wieder einziehen wird, kann ich mir keine bessere Funktion dieses Gebäudes vorstellen.

Meine Damen und Herren,
der totalitäre deutsche Staat von 1933 bis 1945 hat gleich zu Anfang auch seinen Angriff auf die Kultur begonnen. So verkündete Hitler im März 1933: „Blut und Rasse werden wieder zur Quelle künstlerischer Intuition“ – ein Satz der lange zurückliegt und uns erschaudern lässt.
Wirklich lange zurück, wirklich weit weg? Künstlerische Freiheit ermöglicht, ja, ist geradezu verpflichtet, immer wieder gesellschaftliche und politische Entwicklungen kritisch zu begleiten und auch zu formen. Totalitäre Machtstrukturen wollen genau dies nicht – sie wollen, dass sich alle und hier insbesondere auch die Kunst aktiv an deren Staatsideologie orientieren und in deren Sinne agieren.
Daher hat in Zeiten, in der sich in vielen Teilen der Welt wieder Tendenzen zu autokratischen Strukturen und Abkehr von Gewaltenteilung abzeichnen, Kunst und Kultur eine besondere Bedeutung. Sie ist allerdings auch von diesen in besonderer Weise bedroht. All diejenigen, die diesen totalitären Gedanken nachhängen, wollen freie Kunst verdrängen. Auch bei uns.
Lassen Sie mich deutlich werden.
Mit dem Begriff ‚Leitkultur‘ fing es vor einigen Jahren an. Die AfD, die im neuen Bundestag die zweitstärkste Fraktion stellen wird, ist eine Bedrohung für unsere künstlerische Freiheit. In ihrem sogenannten Kulturkampf kritisierte diese in Teilen gesichert rechtsextreme Partei in schäbiger Weise anlässlich des 100-jährigen Bestehens des Bauhauses in Dessau, einst von den Nazis geschlossen, die aus ihrer Sicht „einseitige Glorifizierung“, den „Einheitsbrei“, den „Irrweg der Moderne“ und die „menschenfeindliche Architektur“. „Es wird mir eine Ehre sein, dieses Amt auszuführen und die Entsiffung des Kulturbetriebes in Angriff zu nehmen“, so ein Bundesfraktionssprecher dieser Partei für Kultur.
Wirklich weit weg? Ich glaube, von „Entsiffung“ zur „Entartung“ ist es nicht sehr weit – aber was ist eigentlich schlimmer: „Entsiffung“ oder „Entartung“

Nun, meine Damen und Herren, können wir hier in Oerlinghausen nicht den Gang der Welt bestimmen. Das was wir jedoch können, ist für Demokratie und Freiheit, zu der ganz besonders auch die künstlerische Freiheit gehört, kämpfen. Und dies gerade hier in diesem Haus, das wir mehr denn je hegen und pflegen sollten – nach außen und nach innen. Und gerade deswegen sind wie so froh und dankbar, den Kunstverein nunmehr in seinem 50. Lebensjahr in Oerlinghausen beheimatet zu wissen. In diesen vielen Jahren haben Sie unsere Kultur mit durchschnittlich fünf Ausstellungen zeitgenössischer Kunst sehr bereichert.

Ich wünsche mir für Sie und für uns, dass das auch in den kommenden Jahren so weitergeht. Hierfür wünsche ich Ihren die erforderliche Kreativität, Durchhaltevermögen und natürlich auf die dazugehörige Freude.
Sie tun hier etwas ganz Wichtiges.
Vielen Dank!

Dear Mrs Müller-Borchert,
dear members of the board of the Kunstverein Oerlinghausen,
dear Prof Beaugrand as artistic director,
dear members of the Kunstverein,
dear friends of art,
Ladies and Gentlemen,
and, of course, dear Marek Bieganik,

Today’s exhibition has been announced not only in German, but also in Polish – at least as far as the title Neoretrospektive. Painting and Drawing – Painterstwo i Rysunek.
Szarnowi pan Marek, dlatego witam Cie rowniez w jezyku polskiem. Serdecznie witamy w Oerlinghausen. Jestesmy bardzo podekscytowani i zyczymy wystawie wielu sukcesow.(Good morning, Mr Marek, so I would also like to greet you in Polish. A warm welcome to Oerlinghausen. We are very excited and wish the exhibition every success).
However, that is all I would like to say today in Polish and about today’s exhibition – I will leave that to the people with the appropriate expertise and knowledge.

Mrs Müller-Borchert asked me in advance to say a few words to you, which I will of course be happy to do on behalf of our city. However, I will also do so on my own behalf – also because I always enjoy visiting you.
“Oerlinghausen, you have this busy art association.” I came across this sentence a few years ago when I introduced myself to a couple who were from OWL but not from Lippe or Oerlinghausen. I think this short sentence is characteristic of this cultural institution in our town. Oerlinghausen has many flagships, be it the glider airfield, what has now come together under the title UrLand, the beautiful location on the slopes of the Teutoburg Forest and also our art association. This is a visible sign and gives a good image of our town.
This has to do with many things, including – but not only – the special place in which the artists bring their works closer to us. It is a special gift that we in Oerlinghausen can call a Jewish place of worship our own that did not fall victim to National Socialist barbarism. We all have a great responsibility here, especially those politically elected in our town. That is why our local authority is also responsible for the upkeep of this special building and the grounds surrounding it. Thanks to the Kunstverein, however, this place is not only a place of remembrance of the former Jewish community and the unique, unparalleled crimes that were committed against these people. Thanks to the Kunstverein, this place has once again become a place of life – albeit a different one than before, but once again a place of life. And as long as Jewish life does not return here, I cannot imagine a better function for this building.

Ladies and gentlemen,
the totalitarian German state from 1933 to 1945 also launched its attack on culture right from the start. In March 1933, Hitler proclaimed: “Blood and race will once again become the source of artistic intuition” – a sentence from long ago that makes us shudder.
Really a long time ago, really far away? Artistic freedom makes it possible – indeed, it is almost obligatory – to critically accompany and shape social and political developments time and again. This is precisely what totalitarian power structures do not want – they want everyone, and in particular art, to actively orientate themselves towards their state ideology and act in accordance with it.
This is why art and culture are of particular importance in times when there are renewed tendencies towards autocratic structures and a rejection of the separation of powers in many parts of the world. However, it is also under particular threat from them. All those who harbour these totalitarian ideas want to suppress free art. In our country too.
Let me be clear.
It all started a few years ago with the term “Leitkultur”. The AfD, which will be the second largest parliamentary group in the new Bundestag, is a threat to our artistic freedom. In its so-called Kulturkampf (culture war), this party, which is in some parts firmly on the extreme right, shabbily criticised what it saw as the “one-sided glorification”, the “uniformity”, the “aberration of modernism” and the “misanthropic architecture” of the Bauhaus in Dessau, once closed by the Nazis, on the occasion of its 100th anniversary. “It will be an honour for me to hold this office and to tackle the de-glorification of the cultural sector,” said one of this party’s federal spokespersons for culture.
Really far away? I don’t think it’s very far from “de-sanitisation” to “degeneration” – but what is actually worse: “de-sanitisation” or “degeneration”?

Now, ladies and gentlemen, we here in Oerlinghausen cannot determine the course of the world. What we can do, however, is fight for democracy and freedom, which includes artistic freedom in particular. And we can do this right here in this house, which we should cherish and cultivate more than ever – both externally and internally. And that is precisely why we are so happy and grateful that the Kunstverein is now in its 50th year in Oerlinghausen. Over these many years, you have greatly enriched our culture with an average of five exhibitions of contemporary art.

I hope that this will continue for you and for us in the years to come. I wish you the necessary creativity, perseverance and, of course, the joy that goes with it.
You are doing something very important here.
Thank you very much!