Die zweite digitale Kunstpräsentation in Zeiten der Corona-Pandemie in der Alten Synagoge: Fred Schierenbeck.

Andreas Beaugrand und Alexander Gruber im Gespräch über ein Bild von Fred Schierenbeck

ANGST, HOFFNUNG, WUT, TOT, 2020

Acryl auf schwarzer Pappe
594 x 841 mm

Vorbemerkung
Wegen der SARS-CoV-2-Pandemie ist das Jahresprogramm 2020 des Kunstvereins Oerlinghausen bereits im März 2020 abgesagt worden, die Alte Synagoge ist geschlossen. Analoge Kunstbetrachtungen sind im kleinen Ausstellungsraum nicht möglich, von Ausstellungseröffnungen oder anderen Begegnungen gar nicht zu reden. Deshalb pflegt der Kunstverein die Kunstkommunikation auf seiner Website und bietet hier digitale Kunstgespräche an – aktuell das zwischen Alexander Gruber und Andreas Beaugrand über das in diesem Jahr entstandene neue Bild von Fred Schierenbeck.1

Biografisches
Fred Schierenbeck2 ist in Oerlinghausen, im Kreis Lippe, in Ostwestfalen, in NRW und weit darüber hinaus bekannt – als engagierter Kunstlehrer, qualitätsvoller Künstler und liebenswürdiger Menschenfreund.
Er wurde 1952 in Bremen geboren und studierte nach seiner Schulzeit in Wolfsburg von 1972 bis 1979 Malerei, Grafik und Werken an der Hochschule für Bildende Künste in Berlin.3 1978 war er Meisterschüler bei Prof. Werner Volkert, der zur Berliner Künstlergruppe Großgörschen 354 gehörte, von denen einige wiederum bei Prof. Fred Thieler studiert hatten – einer der großen Künstler der informellen Malerei seit den 1950er-Jahren.
Nach seiner Studienzeit und dem Referendariat an Berliner Gymnasien war Fred Schierenbeck von 1981 bis 2014 Kunsterzieher am Städtischen Gymnasium Oerlinghausen, dem heutigen Niklas-Luhmann-Gymnasium.
Von 1981 bis 1990 hat sich Fred Schierenbeck als Künstler etabliert – durch langjährige künstlerische Arbeit ohne Ausstellungen oder Ausstellungsbeteiligungen. Zum ersten Mal waren Arbeiten von ihm dann 1990 zu sehen: Nach einem Atelierstipendium im BBK-Atelier in der Ravensberger Spinnerei in Bielefeld und der Einrichtung von Ateliers in Bielefeld und Oerlinghausen 1991 waren Fred Schierenbecks Werke in zahlreichen Ausstellungen zu erleben.5 1995 war er erster Preisträger des Kunstpreises des Kreises Lippe. Neben seiner Schul- und Kunsttätigkeit hatte Fred Schierenbeck von 1993 bis 2003 einen Lehrauftrag an Fakultät für Theologie, Geographie, Kunst und Musik der Universität Bielefeld und 2001/2002 eine Gastprofessur an der Universität der Künste Berlin.

Kunst und Leben
1997 hatte sich Fred Schierenbeck ein Atelier für Malerei und Rauminstallationen im Oerlinghausener CEWECO-Haus6 eingerichtet, dessen Sanierung 2016 den Umzug des Ateliers in die Räume der „KunstWerkstatt“ im ehemaligen Pinguin-Gebäude an der Rudolf-Diesel-Straße erforderte. In der Ateliergemeinschaft sind auch Regina Knappert, Holger Köhler, Ilona Neumann, Vilma Pduschek, Adelheid Speer und Elke Wolf künstlerisch tätig.
Fred Schierenbeck steht als Maler in der Tradition der expressiven informellen Malerei und hat über viele, viele Jahre mit großem körperlichem Einsatz an seinen oft großformatigen Bildern und Bildobjekten gearbeitet – mit schweren Farbmassen, anfangs mit Graphit, dunklem Schwarz und Grau, später in tiefen Rot- und Blautönen, mit der Hand, dem Pinsel und der Kettensäge – 2015 jedoch intensivierte sich eine bereits vorhandene neurologische Erkrankung so sehr, dass er die künstlerische Arbeit vorübergehend einstellen musste. Mit eisernem Willen, großer Disziplin und mit Unterstützung seiner Frau Sylvie, seiner Familie und Freunden hat Fred Schierenbeck ab 2018 neu und anders wieder das Malen begonnen.

„Nur ein Bild“
Das nun in der Alten Synagoge auf einer Staffelei solitär ausgestellte neue Bild Fred Schierenbecks zeigt auf schwarzem Grund die in Versalien geschriebenen Wörter ANGST (Weiß), HOFFNUNG (Gelb), WUT (Rot) und TOT (Schwarz) und man assoziiert auf den ersten Blick die Farben der Nationalflagge der Bundesrepublik Deutschland, ein eigentlich modernes, aber offenbar nur vermeintlich aufgeklärtes Land, in dem ewig Gestrige Angst und Wut schüren, die manche „Wutbürger“ mit nivelliertem Intellekt zu erstaunlichen Demonstrationen verleiten.
Auf den zweiten Blick aber ist dieses Bild eines der persönlichsten Werke, die ein Künstler schaffen kann: Es visualisiert das Hadern und Zweifeln, das Hoffen und Bangen Fred Schierenbecks unter den Folgen seiner Erkrankung und der aktuellen Pandemie zwischen Leben und Tod.

Digitales Kunstgespräch und analoge Kunstbetrachtungen
Über dieses Bild sprachen am 18. August 2020 in der Alten Synagoge Alexander Gruber7 und Andreas Beaugrand.8 Das von Jonas Hartz aufgezeichnete Gespräch ist vom 30. August 2020 auf der Website https://kunstverein-oerlinghausen.de zu sehen.
Darüber hinaus lädt der Kunstverein Oerlinghausen zur Besichtigung des Bildes und zum Gespräch mit Alexander Gruber ein, der es ermöglicht, ab dem 6. September 2020 jeden Sonntag von 11 bis 13 und 15 bis 17 Uhr das Bild in der Alten Synagoge bei geöffneten Fensterluken und Türen unter Berücksichtigung der erforderlichen Abstands- und Hygienebedingungen (Name- und Adresseneintrag, Händedesinfektion, Mundschutztragen, 1,5 Meter Abstandhalten) zu betrachten.
Die Termine:
Sonntag, 6. September 2020
Sonntag, 13 September 2020
Sonntag, 20. September 2020
Sonntag, 27. September 2020
Evtl. weitere Termine werden rechtzeitig bekanntgegeben.

Prof. Dr. Andreas Beaugrand, 8/2020

1 Videodokumentation: Jonas Hartz, Gütersloh.

2 Vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Fred_Schierenbeck#cite_note-7; http://www.fred- schierenbeck.de/fs_index.html (alle URL-Angaben 20.8.2020).

3 Heute Universität der Künste: https://www.udk-berlin.de.

4 Dazu gehörten Ulrich Baehr, Hans Jürgen Burggaller, Hans-Jürgen Diehl, Leiv Warren Donnan, Hans-Georg Dornhege, Karl Horst Hödicke, Eduard Franoszek, Franz-Rudolf Knubel, Reinhard Lange, Markus Lüpertz, Dieter Opper, Wolfgang Petrick, Peter Sorge, Arnulf Spengler, Lambert Maria Wintersberger und Jürgen Zeller, die Andreas Beaugrand am 1. Mai 2018 in einer gemeinsamen Ausstellung im Kunstkreis Hameln gewürdigt hat. Vgl. auch Andreas Beaugrand, Gerd Fleischmann: Reinhard Lange. Störungen. Werke 1952–2004 , Hameln 2005, und Andreas Beaugrand, Gerd Fleischmann: Reinhard Lange. Druckgraphik 1958–1998 , Hameln 2008, sowie https://de.wikipedia.org/wiki/Gro%C3%9Fg%C3%B6rschen_35.

5 Ausstellungen (Auswahl): 1990: Die Große Abstraktion/die Große Realistik , Kunsthalle Bielefeld, BBK-Ausstellung | 1992: WEGE / STATIONEN , Kunstverein Oerlinghausen | 1993: Bild-Raum Rauminstallation / Malerei, Galerie Grün, Bremen | 1994: Basislager Malerei und Bildobjekte , Museum Abtei Liesborn; Zeichnung , Galerie Jesse, Bielefeld; Vierfalt. Kunst in Schwalenberg 1994 | 1995: Transimagination . Galerie Rama, Moskau (K) | 1995: In Traccia, Instituto D‘Arte Fortunato Depero, Rovereto, Italien | 1996: Die aufgehobene Zeit . Daniel-Pöppelmann-Haus, Herford | 2000: Kulturforum Rheine, Kloster Bentlage, Rheine | 2001: Malerei, Stadtmuseum Oldenburg; Malerei , Ausstellungsforum des Siegerlandmuseums, Siegen | Malerei , Stadtmuseum Beckum; Malerei . Bielefelder Kunstverein, Museum Waldhof | 2002: Malerei, Galerie Kramer, Bremen | 2003: Skulpturen/Zeichnungen , Kunsthaus Alte Mühle, Schmallenberg (mit Werner Schlegel) | 2005: Fred Schierenbeck: Malerei , Roland Berger & Partner GmbH, Frankfurt | 2006: Fred Schierenbeck , Galerie l’Aire du Cormoran Pernes-Les-Fontaines, Frankreich; Zygmunt Januszewski / Fred Schierenbeck , Kunstverein Oerlinghausen, Alte Synagoge | 2009: Fred Schierenbeck – Bilder und Bildobjekte , Galerie im Schlosspark Tettnang | 2010: les 5 couleurs , Fred Schierenbeck in der Galerie L’Air du Cormoran, Frankreich | 2011: Skulptur im Park , Weberpark, Detmolder Straße, Oerlinghausen |2012: UNBUNT. Die neuen Arbeiten , Beaugrand Kulturkonzepte Bielefeld.

6 Vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/CEWECO-Haus.

7 Alexander Gruber ist Autor und Übersetzer von Theaterstücken und Opernlibretti. Er hat zahlreiche Gedicht- und Essaybände veröffentlicht. Von 1967 bis 1975 war er Lektor und Dramaturg im S. Fischer Verlag. In den Jahren von 1975 bis 1998 übte er die Tätigkeit als Chefdramaturg der Bühnen der Stadt Bielefeld aus. Er ist Initiator des „Bielefelder Opernwunders“. Vgl. auch https://www.alexandergruber-autor.de.

8 Andreas Beaugrand ist promovierter Kulturwissenschaftler, Professor für Theorie der Gestaltung am Fachbereich Gestaltung der Fachhochschule Bielefeld und Künstlerischer Leiter des Kunstvereins Oerlinghausen. Vgl. auch http://www.beaugrand-kulturkonzepte.de/index.php?cat=Biografisches.