Unbefangene Nachfragen. Szenen aus dem Alten Testament

von Rosemarie und Bernhard Sprute

Zum Ausstellungskonzept:

Die Alte Synagoge ist ein ganz besonderer Ausstellungsort, der auch für das Künstlerpaar Rosemarie und Bernhard Sprute eine besondere Herausforderung gewesen ist. Sie haben sich zunächst mit der Geschichte jüdischen Lebens insgesamt und schließlich mit der der Synagoge in Oerlinghausen auseinandergesetzt und dann die Entscheidung getroffen, in dem ehemaligen Gebetshaus künstlerische Interpretationen des Alten Testaments und seiner Ikonografie vorzustellen: mit Malerei, Objektkunst und einer zeichnerischen Installation an der Außenwand der Alten Synagoge.

Rosemarie Sprute (*1955) thematisiert in ihrer Malerei die drei jüdischen Heldinnen Esther, Jaël und Judith.
Esther war eine Verwandte des Juden Mordechai in Susa – heute Ruinen bei Shush im Iran. Sie wurde Gattin des Perserkönigs Assuerus (Xerxes I., König von 485 bis 465 v.Chr.). Durch ihren mutigen Einsatz bei ihrem Mann rettete sie ihr Volk vor der Vernichtung, die der Großwesir Aman schon geplant hatte. Esther ist die Hauptfigur des gleichnamigen Buches im Alten Testament, das aufgrund historischer Erinnerungen an drohende Vernichtung in der Perserzeit als Festlegende für das Purimfest entstand, das als Fest der Errettung vor Gefahr im Stile eines jüdischen Karnevals gefeiert wird.
Die biblische Erzählung im Buch der Richter (Ri) berichtet von Jaël, der Frau des Keniters Heber (Ri 4,11): Sie tötete laut Ri 4,17–24 einen Feind des Volkes Israel, den kanaanitischen Feldherrn Sisera aus Hazor. Er hatte sich nach einer verlorenen Schlacht gegen den Israeliten Barak und die Richterin Debora in das Zelt Hebers geflüchtet. Dort deckte Jaël ihn mit einem Teppich zu (vorgeblich um ihn zu verstecken) und trieb ihm dann mit einem Schmiedehammer einen Zeltpflock durch die Schläfe.
Judit (auch Judith), vermutlich um 550 v.Chr. in Betylua in Juda (beim heutigen Kafr Qud in Palästina) gestorben, gilt als Heldin Israels, deren Geschichte im zu den Spätschriften gehörenden alttestamentlichen Buch Judit erzählt wird. Diese legendäre Geschichte berichtet von einer Strafexpedition des baylonischen Herrschers Nebukadnezar gegen das Südreich Juda. Judith rettete ihre Heimatstad Betylua in Juda, indem sie sich als Überläuferin ausgab, nach einem Festmahl den feindlichen Heeresführer Holofernes mit seinem eigenen Schwert enthauptete und so die Perser in die Flucht schlug.
Die künstlerischen Interpretationen dieser Heldinnen von Rosemarie Sprute schließen an die Reihen ihrer politisch mutigen und entschlossenen Frauengestalten an – an die Sibyllen und an weibliche Heiligenfiguren –, die sich auf Gemälde Alter Meisterinnen und Meister in Renaissance und Barock beziehen und in denen sich der Feminismusdiskurs der Frühen Neuzeit ebenso spiegelt wie eine starke politische Widerstandskraft.
(Siehe darüber hinaus die Website https://rosemarie-sprute.de/)

Bernhard Sprute (*1949), dessen künstlerisches Œuvre schon seit längerer Zeit von Tier- und Pflanzendarstellungen dominiert wird, hat sich malerisch mit der Arche Noah auseinandergesetzt, die auch die weniger beliebten Tiere wie Ratten, Schlangen oder Wespen beherbergt. Die Arche Noah war nach dem biblischen Buch Genesis, Kapitel 6–9, ein von dem Patriarchen Noah gebauter schwimmfähiger Kasten. Noah wurde laut der biblischen Erzählung von Gott erwählt und vor einer großen Flut gewarnt. Er erhielt den Auftrag, eine Arche zu bauen, um damit sich und seine Familie, bestehend aus acht Personen, und die Landtiere vor der Flut zu retten.
Für den Außenraum der Alten Synagoge hat Bernhard Sprute ein Haus und Ausstellung umspannendes Banner entworfen, das auf die Rettung aller Tiere auf die Arche Noahs anspielt. Darüber hinaus hat er für die Terrasse hinter der Alten Synagoge eine Tierplastik zu einem Wort aus dem 4. Buch Mose gestaltet, das sich typologisch zu einem Imperativ des Paulus in seinem Brief an die Galater (Gal 6,2) verhält: „Ein jeder trage des anderen Last.“ Bernhard Sprute erinnert mit seiner Plastik und ihrem Titel Die Last tragen … zugleich an das 4. Buch Mose (11:14) im Alten Testament: „Ich kann die Last, die mir mit diesem ganzen Volk aufliegt, nicht allein tragen; sie ist zu schwer für mich.“
(Zur Kunst Bernhard Sprutes siehe die Website https://www.bernhard-sprute.de/).